Zum Nachlesen: Unterwegs auf dem neu entstanden Literatur- und Schlüsselbergerweg mit dem Autor Helmut Haberkamm
Auf Heimatspuren von Doos durch das „Tal des Todes“ nach Waischenfeld
Samstag, 27.10.2024
Farbenprächtige Buchenwälder begrüßten die Wanderer an diesem warmen Herbsttag. Eingeladen hatten der Gscheitgut-Verein und die VHS Forchheim, die die beliebten Wanderungen nach zweijähriger Pause wieder aufleben ließen. Kultur, Kulinarik und Genuss stehen bei den Gscheitgut-Wanderungen stets im Mittelpunkt. Begleitet werden die Wanderungen stets durch einen fränkischen Autor, dieses Mal wanderte Helmut Haberkamm mit. Der gebürtige Aischgründer ist nicht nur "ein Jäger des verlorenen Wort-Schatzes" (NN), sondern vor allem "ein Wortkünstler, ein Sprachkomponist, ein Akrobat, der die Mundart virtuos zum Klingen bringt" (FLZ). Aktuell gibt es von ihm den Erzählband Die warme Stube der Kindheit sowie das Buch Gräschkurs Fränkisch.
„Wir freuen uns sehr, dass es gscheitgut wieder weitergeht. Diese Treffen und Austauschmöglichkeiten haben uns schon sehr gefehlt“, resümierte Familie Rothenbach, die seit vielen Jahren begeisterte Mitwanderer sind.
Die herbstliche Sonntagstour verlief auf dem neu entstandenen Literatur- und Schlüsselbergerweg von Doos nach Waischenfeld und zurück. Toni Eckert, der den Weg konzipierte und gestaltete, führte die 45 Wandergäste auf den Spuren der ereignisreichen Burgen- und Literaturgeschichte, die in diesem Weg eindrucksvoll miteinander verwebt ist. Ludwig Tieck, Ernst Moritz Arndt und Ludwig Richter hatten sich hier in der Region einst ein Stelldichein gegeben und in ihren Briefen, Gedichten und Zeichnungen die Fränkische Schweiz eingefangen. Der Dreiklang der Region – die Burgen, Felsen und Höhlen – hatte allen voran Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder zu enthusiastischen Reiseberichten inspiriert, mit der die deutsche Romantik eingeleitet wurde. Heute soll mit dem Literatur- und Schlüsselbergerweg an diese Zeit erinnert werden.
Die Tour startete in Doos. Der Name des kleinen Weilers leitet sich ab vom „Getöse“ des nahen Wasserfalls, den die Aufseß macht, wenn sie in die Wiesent hineinfließt. Als der Dresdner Maler der Spätromantik Ludwig Richter 1837 hier auf seiner Tour durch die Fränkische einkehrte, beeindruckte ihn vor allem die Wirtin des Dooswirtshauses, nicht nur, weil sie ihm ein Schnittlauchbrot serviert hatte, sondern „wie sie jede kleine Begebenheit ihres armen beschränkten Lebens recht als göttliche Fügung ansah.“ Nachzulesen sind seine Beobachtungen im Reiseführer.
Ein Stück weiter des Weges beginnt der Aufstieg zur Riesenburg, einer spektakulären Höhle, die Ernst Moritz Arndt einst zu Recht als „Tempel der Natur“ bezeichnet hatte.
Mit Blick auf die Burg Rabenstein halten wir in der Talenge, die von den Romantikern auch als „Tal des Todes“ bezeichnet wurde und hören Toni Eckert zu, wie er aus den Erinnerungen von Fürst Pückler zitiert, der im Jahr 1835 die Burg Rabenstein besucht hatte. Damals war die Burg noch im Besitz der Grafen von Schönborn, bis sie 1975 Norman Schiller kaufte, der sie jahrelang umsichtig sanierte und sie gemeinsam mit seiner Frau bis heute kulturell belebt.
Nun verlassen wir den Talgrund und steigen hinauf zur Kapelle. Hier führt uns Helmut Haberkamm ein in die Feinheiten des fränkischen Dialekts. Er liest aus seinem Gedichtband All Dooch wos annersch, der auch als Reaktion auf die Corona-Pandemie entstand und Gedichte enthält, die den inneren Zustand in Zeiten von Lockdown und Krise beschreiben, aber auch immerwährenden Fragen nach dem Älterwerden, der Erinnerung, der Familie und der Zugehörigkeit nachgeht. An Beispielen zeigt er, wie melodisch und direkter die Kommunikation im Dialekt laufen kann.
So inspiriert, geht es weiter zur Burg Waischenfeld, von der sich heute ein herrlicher Blick über das Städtchen Waischenfeld erstreckt. Mit Blick auf Burg, Steinernen Beutel und Städtchen gibt Helmut Haberkamm noch einmal zwei Kostproben in fränkischer Mundart aus seinem Gedichtband.
Wir kehren ein im schmucken Gasthof zur Post. Das sympathische und familiengeführte Hotel mit Gasthof von Familie Distler befindet sich mitten drin im Luftkurort Waischenfeld. Heute genießen wir
Zum Dessert – es gab Scheiterhaufen mit Vanilleeis und Obstkompott - servierte Helmut Haberkamm noch mehr Inspiration zur fränkischen Mundart zwischen „Himmel und Erdn“ und alle waren sich einig „Das Leben mahns gut mit mir.“
Nach der ausgiebigen Mittagsrast führte der Weg von Waischenfeld entlang der Skulpturenpromenade zur Pulvermühle auf den Spuren der Gruppe 47. Die Gruppe 47 um Hans Werner Richter war die bedeutendste Schriftstellervereinigung im Nachkriegsdeutschland. 20 Jahre lang hatte sie existiert – von ihrem ersten Treffen 1947 im Allgäu bis zum Jahr 1967, wo sie im Gasthof Pulvermühle in Waischenfeld tagte, es wurde ihr letztes Treffen. Das geplante Treffen 1968 in Prag konnte aufgrund der politischen Lage nicht mehr stattfinden. Die Gruppe 47, die sich nach ihrem Gründungsjahr benannt hatte, war sehr wichtig für die Nachkriegszeit. Sie brachte drei Nobelpreisträger hervor: Peter Handke, Heinrich Böll und Günter Grass. Nicht ganz unumstritten ist die Rolle der Frauen in der Gruppe 47, wie Helmut Haberkamm betonte. Frauen wie Ingeborg Bachmann oder Ilse Aichinger wurden bewusst klein gehalten und unterdrückt. Wie immer liegen Licht und Schatten nah beieinander. Wer mehr darüber erfahren möchte, hier geht’s zu einem sehr interessanten Artikel über die Gruppe 47 und die Frauen . Helmut Haberkamm empfahl außerdem das Buch von Nicole Seifert: „Einige Herren sagten etwas dazu. Die Autorinnen der Gruppe 47“ Kiepenheuer & Witsch, Köln,344 Seiten, 24 Euro.
Der Literatur- und Schlüsselbergerweg wurde im Rahmen eines Leader-Projektes neu konzipiert und gestaltet. Begleitend dazu entstanden ein Wanderführer sowie eine App und eine Webseite.
Der Weg ist insgesamt 75 km lang und verbindet die Stadt Ebermannstadt mit dem Markt Wiesenttal, dem Markt Gößweinstein und der Stadt Waischenfeld.
Im Dezember 2022 erschien auch der Reiseführer „Schlüsselbergerweg. Literatur- und Romantikerweg", den die Städte Ebermannstadt, Waischenfeld sowie die Märkte Gößweinstein und Wiesenttal herausgegeben haben. Dank der Recherche von Toni Eckert finden sich darin viele Zitate aus Originalliteratur, die die Leser in die Zeit um 1800 zurückversetzen. Nachzulesen sind die Anekdoten auch online unter der Projektwebseite.