Gscheitgut-Autorenwanderung

Mit Autorin Sabine Weigand und dem Kulturreferenten Toni Eckert rund um Gaiganz und Kunreuth

7. Oktober 2017, Gaiganz

Die kleine romanische Ortskirche ist an diesem Samstagmorgen beachtlich gefüllt. 50 Wanderbegeisterte und Freunde des gscheitguten Genusses haben sich in dem kleinen Kirchlein eingefunden. Nicht nur, um die älteste Orgel der Region zu bewundern, hier soll auch unsere Wanderung beginnen. Kulturreferent Toni Eckert begleitet uns und weiß viel zur Geschichte rund um Gaiganz und Kunreuth zu erzählen. Zum Beispiel zum Mordfall von Gaiganz, der sich während der NS-Zeit hier ereignet hatte: Die Burschen Lorenz Schriefer und Josef Wiesheier lebten beiden in Gaiganz. Schriefer war als Dienstbote beim Bürgermeister Johann Greif in Stellung, während der Malergeselle Wiesheier durch seine Mitgliedschaft bei der SA als politischer Abweichler im Dorf galt.

Nach einem Dorffest im Mai 1933 geschah das Unglück: Im Alkoholrausch nach 5 Maß Bier, brachte der Bursche Lorenz Schriefer den SA-Mann Josef Wiesheier aus Eifersucht um, weil er diesen bei einem „Techtel-Mechtel“ mit seiner Freundin überrascht hatte. Schriefer hatte den Wiesheier so heftig gewürgt, dass dieser das Bewusstsein verlor und im flachen Wasser des Weihers ertrank. Diesen Unglücksfall mit Todesfolge nutzte die NSDAP jedoch für Ihre Zwecke, um Gaiganz von den konservativen Anhängern der Bayrischen Volkspartei (BVP) zu „säubern“. Zur BVP gehörte damals ein Großteil der ländlichen Bevölkerung in Bayern. Insgesamt 19 Gaiganzer Bürger, alle Mitglied der BVP, samt Bürgermeister Johann Greif wurden verhaftet und zu Fuß durch die Dörfer nach Forchheim ins Gefängnis getrieben. Lorenz Schriefer zu einer Gefängnishaft von über zwei Jahren und anschließender Hinrichtung verurteilt und auch die inhaftierten Gaiganzer Bürger, kamen erst nach einigen Monaten grundloser Haft frei.

Den ermordeten Josef Wiesheier jedoch stilisierte die SA zum Märtyrer. Seine Beerdigung missbrauchte man für eine große Festtagsveranstaltung, anlässlich der rund 25.000 Nationalsozialisten in den 200-Seelen-Ort Gaiganz einfielen. Im Mai 1934 enthüllten die Nationalsozialisten bei einer Gedenkfeier in Gaiganz ein imposantes Grabdenkmal mit Hakenkreuz und NSDAP-Adler, an dem bis 1944 die Jugend zum Gedenken antreten musste. Mit den Alliierten wurde das Mahnmal zerstört. Aus dem Adler entstanden auf Bitten von Pfarrer Jung 6 Altarleuchten für die Kirche. Heute erinnert ein Denkmal am Ortsausgang an das Geschehen.

Berührt von der dramatischen Vergangenheit des kleinen Örtchens, machen wir uns auf den Weg in Richtung Kunreuth. Etwa 8 km dauert diese Etappe und wir werden mit schönstem Herbstwetter verwöhnt, die fränkischen Mischwälder breiten sich in ihrer ganzen Farbenpracht vor uns aus.
Nach gemütlichen zwei Stunden sind wir dann auch schon in Kunreuth. Kurz halten wir vor dem Schloss, um etwas über die Geschichte des 600 Jahre alten Gemäuers zu erfahren. Es wurde einige Male belagert, zerstört und geplündert doch trotzdem immer wieder aufgebaut Seit dem 15. Jhd. gehört die ehemalige Wasserburg zum Besitz der Grafen und Freiherren von und zu Egloffstein.

Ein kurzer Gang über die Straße und wir sind angekommen im Gscheitgut-Gasthaus zum Schloss bei Heidi Derbfuß und ihrem Team. Uns erwartet klassische fränkische Küche aus Regionalprodukten: Rindfleisch mit Kren, knuspriger Schweinsbauch mit Kloß und Peterlasg´müs. Feine vegetarische Alternative: Semmeltaler mit Pfifferlingsragout. Zum Dessert genießen wir warmen Apfelstreuselkuchen mit Vanilleeis und Sahne.
Sabine Weigand, die bekannte fränkische Autorin historischer Romane, erzählte uns von den Essgewohnheiten im Mittelalter. Den meisten ist wahrscheinlich bekannt, dass die vornehmen Herrschaften von damals beim Essen Pupsten und Rülpsten um zu zeigen, dass es ihnen schmeckt.
Was wir nicht wussten war, dass Fürsten Ihre Feinde manchmal durch Zutrinken beseitigen konnten. Denn hat ein Fürst (oder ein Ranghöherer) jemandem zugeprostet, musste dieser nicht nur einen Schluck trinken, sondern gleich den ganzen Becher. Damals galt es als absolut unhöflich, dem nicht Folge zu leisten und nicht auszutrinken und so starb so mancher Feind einfach an einer Alkoholvergiftung.

Und auch Kinder wurden früh an Alkohol gewöhnt – eine Maß Bier für Kinder war normal. Wir erfuhren, dass es früher oft Suppe zum Frühstück gab, um die Reste vom Vortag aufzubrauchen. Das Mittagessen wurde schon um 10 Uhr serviert und das Abendessen bereits um 17 Uhr, damit noch im Hellen gegessen und gekocht werden konnte. Die Tischdecke wurde gleichzeitig als Serviette genutzt und pro Tafel gab es nur einen Löffel. Die Sitten und Bräuche bei Tisch zu jener Zeit unterscheiden sich also komplett von den heutigen und so war es sehr spannend, Sabine Weigands Worten zu lauschen.
Sie teilte aber nicht nur ihr mittelalterliches Insider-Wissen mit uns, sie las auch einen Ausschnitt aus ihrem Buch Die Seelen im Feuer. Es erzählt von der Hexenverfolgung in Bamberg Anfang des 17. Jahrhunderts und davon, dass Menschen wie Du und ich, einfach so der Hexerei beschuldigt werden konnten. Eine Hexe hatte keinerlei Erkennungsmerkmal und so konnte wirklich jeder auf dem Scheiterhaufen enden. Das unglaubliche daran ist, dass die Bürger in jener Zeit nicht aus Böswilligkeit so gehandelt haben, sondern sie hatten wirklich Angst. Sie haben daran geglaubt, dass Hexen Ihr Vieh tot zaubern und Krankheiten über sie bringen konnten. Man war überzeugt, Hexen hätten angeblich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und man machte sie für alles Schlechte auf der Welt verantwortlich. Nur ein paar Machtgierige haben den Aberglauben der Menschen ausgenutzt und Intrigen gesponnen, um sich besser zu stellen und Feinde zu beseitigen. So diente die Hexenverfolgung auch dem Fürstbischof in Bamberg zur politischen Säuberung eines langsam erstarkenden Bürgertums. Am Schluss waren in Bamberg 1.000 Menschen tot und die komplette bürgerliche Oberschicht Bambergs ausgerottet. Sabine Weigands Die Seelen im Feuer ist ein spannendes und kluges Buch. Es ist gut recherchiert und die Zustände im Mittelalter werden so treffend beschrieben, dass man sich direkt in jene Zeit zurückversetzt fühlt.

Nach der Lesung machten wir uns wieder auf den Weg, doch unsere nächste Etappe sollte nicht lange dauern. Kurz hinter Kunreuth empfing uns Dr. Hermann Ulm, Landrat des Landkreises Forchheim, vor seinem selbst restaurierten Bierkeller. Der riesengroße, knapp 400 m lange, in den Fels gehauene Keller gleicht einer Höhle, alle 50 Wanderer haben Platz gefunden, er umfasst mehrere Gänge und es gab sogar eine Tropfsteingrotte, in die man nur durch ein Loch in der Decke, einen Blick hineinwerfen konnte.

Unsere Wanderführer Toni Eckert und Dr. Roland Lindacher haben sich wirklich Mühe gegeben, und extra für uns im Keller einen kleinen Lautsprecher installiert, der uns beim Betreten mit Gruselgeräuschen empfing. Ein wenig unheimlich war das schon. Gut, dass wir uns beim Verlassen des Kellers noch ein wenig Mut antrinken konnten, denn für jeden gab es ein frisch gezapftes, kaltes Bier.

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