Samstag, 16.10.2021
Ein idyllischer Bierkeller mitten im Wald, eine kleine Kapelle, Obstwiesen, auf denen rote Äpfel locken und biologisches Pfister-Bier. Das war ein "gscheitgutes" Wandervergnügen.
40 Gäste waren der Einladung des Gscheitgut-Vereins gefolgt und wanderten am vergangenen Samstag, 16.10.21 rund um Weigelshofen. Begleitet wurde die Wanderung wie immer durch einen fränkischen Autor – dieses Mal war Dr. Bernd Flessner mit dabei, Zukunftsforscher und Bestsellerautor in Personalunion. Er las aus seinen Büchern „Ein guter Mord, ein schöner Mord“ und „Der Blaukrautmörder“. Die Gscheitgut-Wanderungen sind eine Kooperation der VHS Forchheim, der Sparkasse Forchheim und des Gscheitgut-Vereins. Die Mischung aus Kultur, Landschafts(neu-)entdeckung und gutem regionalen Essen gibt es nun schon im 10. Jahr.
Weigelshofen ist mehr als 1.000 Jahre alt. Hier gibt es nicht nur eine berühmte Bio-Brauerei mit Landquartier und Restaurant, sondern auch noch ein intaktes Dorfleben: Gleich neben der Hauptstraße im ehemaligen Schützenhaus ist der Dorfbackofen untergebracht, der auch heute noch von den Einheimischen befeuert wird. Gleich eine Straße weiter wohnt Bernhard Hischbeck. Der Steinbildhauer wurde mit zahlreichen Designpreisen ausgezeichnet und ist auch für den neuen Altar der katholischen Kirche verantwortlich. An der Kirche angekommen, nehmen wir Platz und lauschen gespannt der Geschichte aus dem Buch „Ein guter Mord, ein schöner Mord“ von Bernd Flessner. Der Inhalt spielt – natürlich- in einem fränkischen Wirtshaus: Es geht um einen Karpfen, eine Gräte, ein Erbe und zwei Frauen.
Weiter führt der Weg aus dem Dorf hinaus. Während wir den leichten Anstieg zum Schwarzen Keller bewältigen, wandern wir vorbei an Martersäulen. Sie erinnern an Unglücksfälle oder stehen als Zeichen gläubiger Dankbarkeit.
Am Schwarzen Keller angekommen, wartet bereits Stefan Pfister auf uns. Er erzählt uns, dass sein Urahne im Jahr 1850 damit begonnen hatte, den Keller in den Sandstein zu schlagen. Im Jahr 1858 war das Werk vollendet. Damals wurde das Bier mit Ochsenkarren hinaufgefahren und faßweise heruntergetragen. Eine mühsame Arbeit!
Als im 19.Jahrhundert die Stadtbewohner zur Sommerfrische aufs Land kamen, war der Schwarze Keller ein beliebtes Ausflugslokal. Heute lohnt sich der Aufwand längst nicht mehr: Der Keller liegt zu schattig, es gibt weder fließendes Wasser, noch Strom. Was bleibt, ist ein idyllisches Ausflugsziel für Wanderer und das würzige Pfister-Bier, das ausschließlich in Bio-Qualität gebraut wird.
Für uns heute ist das bunte Blätterdach des Waldes genau die richtige Krimi-Kulisse! Bernd Flessner entführt uns in seiner Erzählung zu den Matjestagen in Emden, wo Eindringliche, die aufs Land ziehen, auch den friedlichsten und geduldigsten Gastwirt zum Äußersten treiben können. Erschienen ist die Geschichte in seinem Buch: „Ein guter Mord, ein böser Mord“.
Weiter geht es auf schattigen Waldwegen und leicht bergab zum Mittagessen in den Braugasthof Pfister. Elisabeth Pfister führt den Gasthof bereits in 6. Generation. Sie erzählt uns, dass sie ihre Waren fast ausschließlich aus der Region bezieht, teilweise in Bioqualität. Heute serviert sie uns:
Nachtisch: Quitten-Panna Cotta mit Quittenkompott
Zum Dessert hören wir von unserem Autor Bernd Flessner, wie es Inspektor Dollinger aus dem „Blaukrautmörder“ ergeht, wenn er zweimal am Tag mit Braten, Blaukraut und Klößen konfrontiert wird.
Nach dem Mittagessen genießen wir einen Ausflug in die Obstgärten rund um Weigelshofen mit Uwe Hoff. Der ehemalige Kreisfachberater des Landkreises Bamberg ist ein exzellenter Apfelexperte und er stellt fest: „Die Streuobstwiese ist der artenreichste, von Menschen geschaffene Lebensraum“. Daher wurden Streuobstwiesen auch zum immateriellen Kulturerbe ernannt. Wir erfahren, dass Niederstammanlagen die „Rennpferde“ unter den Obstwiesen sind und nur 30 Jahre durchhalten, dafür aber schon 2 Jahre nach der Pflanzung Früchte tragen. Dagegen dauert es beim Hochstamm bis zu 8 Jahre, bis sich die ersten Früchte zeigen. Hochstämme werden bis zu 80 Jahre alt.
Alte Sorten können für uns wichtig sein, wenn es um Allergien geht und sie können mit ihrer Robustheit eine Chance sein, sich an den Klimawandel anzupassen. Trotzdem sind in den letzten Jahren viele Obstwiesen aus der Landschaft verschwunden:
Im Jahr 1965 gab es noch 20 Mio. Bäume in Bayern, im Jahr 2021 nur noch 6 Mio. Bäume. Uwe Hoff mahnt: Wir verlieren in Bayern 100.000 Bäume pro Jahr. Mit den Bäumen verlieren wir die Sorten- und Geschmacksvielfalt. Und damit auch die Tiere, die an die Streuobstbäume besonders gut angepasst sind: Wendehals, Gartenrotschwanz, Siebenschläfer, Ottolon und Steinkauz. Um bis zu 50% sind die Bestände von Wendehals und Ottolan zurückgegangen.
„Um die Sorten zu erhalten, müssen sie veredelt werden. Teilweise mehrere hunderte Jahre lang“, erzählt Uwe Hoff. „Manchmal verschwand eine Sorte, weil die Äpfel zu klein waren. Weil Sorten unterschiedliche Reifezeiten hatte oder die weiche Schale einen Transport nicht überstand. ABER keiner schaute auf den Geschmack“, resümiert der Obstexperte.
Um unseren Geschmack zu schulen, schreiten wir jetzt zur Apfelverkostung: Graue Herbstrennette, Goldparmäne, Alkmene, Grahams Jubiläumsapfel, Schöne von Herrnhut, Düllmener Rosenapfel. Wir müssen uns entscheiden: Schmeckt der Apfel mehr weinsäuerlich, hat er ein nussartiges Aroma oder ist er eher süßweinig? So wie die Streuobstwiese eine Mischung aus vielen Sorten ist, so ist auch das Geheimnis eines guten Apfelsaftes die richtige Mischung.
Wie gut, dass in den Gscheitgut-Gasthöfen schon längst Direktsäfte aus fränkischem Streuobst ausgeschenkt werden!
Wir danken der Sparkasse Forchheim für die finanzielle Unterstützung unserer Wanderungen und der VHS Forchhein für die stets zuverlässige Organisation.